Innovation – wie geht das?
Meine Damen und Herren, liebe Studenten, Innovation, Wie geht das? ist der Titel dieser Vorlesungsreihe. „Ohne Titel“ ist der Arbeitstitel meines Vortrags, da ein Weg zu Innovation die Vermeidung von Festlegung ist. Denn nenne ich einen Titel, setz ich mir ein Thema, beschneide ich schon meine Freiheit.
Einen Titel für diese Rede habe ich nicht. Auch habe ich noch keine rechte Vorstellung. Doch gibt es ein Motto, das ich an den Anfang setzen möchte: „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorneherein ausgeschlossen erscheint.“ (Albert Einstein)
Ich stehe am Anfang eines kreativen Prozesses. Mit all den Unsicherheiten, die damit verbunden sind. Mit dem Sprechen bewege ich mich auf unsicherem Terrain. Es ist eine Expedition ohne Kompass. Orientierung geben mir lediglich die Erfahrungen ähnlicher Ausflüge in der Vergangenheit. Sie haben mich immer wieder an neue Orte geführt, die ich mir so nicht ausgemalt hätte.
Autobiografisch vorzugehen sehe ich als Chance. Alles, was nicht durch meinen Verdauungsapparat gelaufen ist, sind bestenfalls Innovationen von anderen. Also das Wiederkäuen fremder Ideen.
Ich schau mich erst mal um. In mir.
Innere Bilder.
Vage Vorstellungen.
Diffuse Ideen.
Ahnungen eher.
Es ist was da.
Ich bin zuversichtlich.
Auch wenn ich noch nicht klar sehe.
Ich bin auf Empfang gestellt.
Innen und außen.
Große Aufmerksamkeit.
Ich strecke meine Fühler aus und sondiere das Terrain, das sich da vor meinen Augen weit erstreckt.
Unübersichtlich.
Unwegsam.
Hier kenne ich mich nicht aus.
Zuflucht zu Bildern.
Sollte ich auf eine Anhöhe gehen?
Um einen besseren Überblick zu haben.
Ja, da ist eine! – Direkt vor mir!
Ein richtiger Berg.
Scheint unüberwindlich
Eine richtige Hürde, die sich mir abrupt in den Weg stellt.
Die blockiert mich.
Dunkel wirft er seinen Schatten auf mich, dieser gigantische Berg.
Er will bestiegen werden.
Eine Belohnung, scheint mir, winkt von oben.
Das Licht
Die freie Aussicht.
Der weite Überblick.
Die frische Luft, die mein Hirn durchblasen könnte.
Das lockt mich.
Ich stehe noch am Anfang.
Doch ich will!
Da will ich auf jeden Fall hinauf!
Selbstzweifel
Mehrere Ausreden
Ich könnte an ihm vorbei gehen,
Auf flachem Gelände bleiben, schön brav im Tal mit den bequemen Wegen.
Ich dreh mich einfach um.
Ich kehre einfach um
Ich sage ab.
Ich könnte Fotos machen.
Für einen Reisebericht würde das reichen.
Den Aufstieg sollte ich simulieren.
Ich könnte mit dem richtigen Objektiv und aus dem richtigen Blickwinkel heraus dokumentieren,
wie aussichtslos es ist, dieses hohe Ding zu erklimmen.
Und darüber berichten.
Über die Vergeblichkeit meiner Absicht.
Und die zu meinem Thema machen.
Einfach dieses Bild festhalten.
Mich an einem solchen Bild fest halten.
Genügend Unterhaltungswert hätte das allemal.
Zum Selbst-Ausmalen.
Ich könnte mir mit aller Vernunft sagen, du bist naiv und leichtsinnig, da hinauf zu klettern.
Dir wird die Puste ausgehen.
Dir droht Unterzuckerung.
Viel zu steil und steinig dieser Anstieg.
Und das Wetter soll auch wieder schlechter werden.
Dir fehlt die ideale Ausrüstung für eine solche Unternehmung.
Vor allem, mach das nicht allein!
Du solltest dich unbedingt nach einem Führer umsehen.
Sie sehen, es gibt hundert Gründe, diesen Berg nicht zu besteigen.
Jetzt zumindestens nicht.
Später vielleicht,
wenn die Wetterlage stabil ist.
Später.
Wenn ich die richtige Ausrüstung zusammen habe.
Später.
Wenn jemand mich begleitet,
ein Ortskundiger.
Ein Einheimischer.
Ein Spezialist.
Nein, jetzt nicht.
Es gibt tausend Gründe, nicht kreativ zu sein.
– Das größte Hindernis für Innovation
Doch er war schon vorher da,
mein Entschluss.
Wenn das Motiv stark genug ist, haben Ausreden keine Chance.
Mein Motiv ist die Neugier.
Ich bin auf Empfang gestellt.
Ich zögere nicht mehr.
Ich bin bereit, Unsicherheiten auszuhalten.
Ich mach mich auf den Weg.
Ins Handeln kommen
Auf der Suche nach Kartenmaterial zur Orientierung fällt mir ein Buch in die Hand.
Es ist mehr als eine Wanderkarte!
Ein Leitfaden.
Vor-bildlich!
Und dieses Buch hat natürlich auch einen Titel:
‚Aus dem Nichts’,
Verfasser: Gerd Binnig
Gerd Binnig, Physiker und Nobelpreisträger, hat sich nach Erhalt des Nobelpreises für die Erfindung des Raster-Tunnel-Mikroskops voller Freude ans Schreiben gesetzt, eine Betätigung, die ihm zuvor zutiefst fremd und unangenehm gewesen wäre.
Dieses Buch behandelt Kreativität in zweifacher Weise: Zum einen werden ausführlich kreative Mechanismen beschrieben, zum anderen ist das Buch selbst ein kreativer Prozess, an dem der Leser teilhaben kann.
So schreibt er z.B. über Blockaden:
„Angstblockaden
Wir wissen z. B., dass Angst diese Blockaden extrem steuern kann. Man weiß ganz genau, dass in extremen Situationen die Angst fast alles blockiert. Das hat auch seinen Sinn; denn dann geht es um das elementare Überleben.
Selbst die Sinne sind z.T. blockiert. Es wird z.B. das Gesichtsfeld ganz klein, und man sieht nur noch einen schmalen Bereich – vielleicht nur noch den menschlichen Feind, den man vor sich hat, oder das Tier, das gerade angreift.“ …
Das kennen wir alle, diesen Tunnelblick! –
…“Wir alle wissen, dass Angst uns blockieren kann; (…)
Es ist allerdings so eine Sache mit der Angst:
Sie kann blockieren, aber sie kann auch beflügeln.
„Not macht erfinderisch“, sagt man.
Ich muss bereit sein, Risiken einzugehen, um kreativ zu sein.
In Notsituationen kann das Risiko eventuell meine einzige Chance sein.
Angst macht risikofreudig.“
Zitat Ende.
Für mich ist der letzte Satz der entscheidende Satz:
Angst macht risikofreudig.
Freude am Risiko, ein Motiv, das zum Aufbruch taugt.
Mit der Entscheidung für dieses Experiment verspüre ich schon große Erregung,
denn der Ausgang ist völlig unklar.
Und an anderer Stelle in diesem Buch:
„Individuelle Wege
Die Wege sollten individuell sein, ebenso wie Spannung natur gegeben individuell ist.
Deshalb muss man auch erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen und auf welchem Wege man weiterkommen kann. Dabei sollte man jedoch keine Angst vor Dummheit oder vor Unkenntnis haben, weil gerade die Kreativität ein Mechanismus ist, der mit Beschränkung einhergeht.
Wenn ich von irgendeinem Fachgebiet noch fast nichts weiß, kann ich trotzdem anfangen, damit zu spielen.
Als Nebeneffekt lerne ich über die Kreativität selbst eine ganze Menge, weil ich ja den Umgang mit der Beschränkung, nämlich mit meiner beschränkten Kenntnis, übe. Es gibt, wie gesagt, überhaupt keinen Grund dafür, dass man – auch als Anfänger auf einem Gebiet – nicht kreativ sein könnte. Im Gegenteil: Oft sind die Nicht-Fachleute, die Nicht-Experten die Kreativsten.“
…
Beherrschung ist Beschränkung
Nicht-beherrschen öffnet Türen
Ein Bildhauerkollege hat mir einmal auf meine Fragen hin begründet, warum er mit Stahl, Glas und Beton arbeitet, obwohl er doch ausgebildeter Holzbildhauer ist. Das hat er gelernt. Das Werken mit diesem wunderbaren Material geht ihm leicht von der Hand.
Das Holz beherrscht er.
Für sein künstlerisches Werken dagegen hat er ein Material gewählt, das er gerade nicht beherrscht. Als Auto-didakt suchte er willentlich das Stolpern im Umgang mit dem widerspenstigen Material Stahl. Und mit dem Erproben und Erforschen entdeckte er – in neuer Aufmerksamkeit – das So-Sein des spezifischen Materials und dessen Reaktion mit seinem So-Handeln. Sein Unvermögen, sein Dilletantismus, sein Stolpern und Stottern in der Handhabe dieses eigenwilligen Materials führte ihn in seiner Herangehensweise auf ungewöhnliche Wege.
Das Handwerk ist nicht gekonnt.
Es passieren immer wieder Fehler.
Er nimmt Umwege.
Die tastenden, probierenden Schritte sind klein.
Aber sie summieren sich.
Die Wechselwirkung des geschulten Gestalters mit ungeschulten Händen ergibt das
Eigen-Willige.
Weil der Zufall noch eine Chance hat.
Die Ziele mögen sich verändern.
Er probiert weiter.
Er schaut immer wieder hin.
Auf die einzelnen Schritte.
Etwas passiert.
Etwas entsteht.
Etwas erscheint neu.
Vom Ziellosen zum Ziel
In seiner persönlichen Handschrift entlockt er dem Stahl etwas Neues, fern seiner üblichen Handhabung.
Und wir können seinen suchenden Prozess optisch nachvollziehen und etwas von dem Zauber spüren,
wie Stahl sozusagen unter seinen Händen ein neues Potential an Ausdrucksweisen entfaltet, eine neue Aura, wie sie bisher noch nicht wahrzunehmen war.
Ja, gewissermaßen ist Camill Leberer aus dem gewöhnlichen Stahl-Behandlungs-Lernmuster ausgestiegen.
Nein, er war ja gar nicht erst eingestiegen!
Von Anfang an ist er draußen geblieben.
Und mit seinem wachen Blick, dem ein klein wenig zeitversetzten Blick auf sein Handeln und auf das Geschehen hat er etwas beobachten können, es weiter entwickelt, angewendet und dann in Szene gesetzt.
Materialisierung seines eigenen Lernsystems.
Aus dem System aussteigen.
Eine schon sehr alte chinesische Weisheit lautet: „Nicht dort, wo du es schon zur Meisterschaft gebracht hast, sollst du dich weiter erproben, sondern dort, wo es dir an solcher Meisterschaft mangelt.“
Eingetretene Wege zu verlassen ist immer Wagnis und Chance zugleich und mit Spannung und Erregung verbunden.
Gerald Hüther, Hirnforscher, Neurobiologe an der Psychiatrischen Klinik in Göttingen, dessen zahlreiche Bücher und Vorträge bildhafte Nahrung sind für mein hungriges Hirn, ihn möchte ich aus seinem Buch zitieren
„DIE MACHT DER INNEREN BILDER“:
„Das Gehirn als Bilder erzeugendes Organ
Wer Augen hat zum Sehen, Ohren zum Hören, eine Nase zum Riechen, Haut zum Fühlen, für den ist die Welt voller Bilder. Allerdings braucht er dazu noch ein Gehirn, und das muss möglichst offen sein für alles, was über die Sinnesorgane dort, in den sensorischen Arealen der Hirnrinde, ankommt.
Das in diesen Arealen entstehende, für jeden Sinneseindruck charakteristische Erregungsmuster wird an-schließend in assoziative Rindenareale weitergeleitet. Dort führt das neu eintreffende Erregungsmuster zur Aktivierung von älteren, bereits durch frühere Sinneseindrücke heraus geformten und stabilisierten Nerven-zellverschaltungen. Durch die Überlagerung beider Erregungsmuster, des neu eingetroffenen mit dem bereits vorhandenen, entsteht dann ein neues, für die betreffende Sinneswahrnehmung spezifisches, erweitertes Aktivierungsmuster. Dieses charakteristische Geflimmer der Synapsen repräsentiert nun als inneres Bild das jeweils neu Wahrgenommene.“ (…)
Was ist überhaupt neu?
Gibt es das Neue überhaupt?
Oder ist es immer eine Kombination von alten Prozessen in neuer Reihenfolge?
Und an anderer Stelle:
„Häufiger erreicht ein durch einen Sinnesreiz im Gehirn entstandenes inneres Bild das Bewusstsein allein dadurch, dass es nicht so recht zu dem Bild passen will, das man bereits im Kopf hat. Dazu braucht der neue Sinneseindruck nur besonders neuartig zu sein oder in Verbindung mit anderen Sinneseindrücken aufzutauchen, die bisher in dieser Kombination noch nicht zusammen vorgekommen sind. Jedes Mal, wenn das passiert, wird ein bereits vorhandenes, früher entstandenes Erregungsmuster durch Überlagerung mit dem neu eintreffenden Muster vorübergehend durcheinander gebracht.
Bis das neue Bild in das alte Muster integriert ist, herrscht in den betreffenden Bereichen des Gehirns eine gewisse Unruhe.“…
Kreative Unruhe!
„Jetzt ist das Gehirn wach und kann das neue Aktivierungsmuster mit dem bereits vorhandenen, älteren Muster abgleichen und zu einem neuen inneren Bild zusammenfügen.“
Gerald Hüther gelingt es anschaulich zu beschreiben, was da in unseren Gehirnen passiert,
wenn wir neue Wege nehmen.
Wir kommen durcheinander.
Wir kommen in Unruhe.
Und sobald wir in Unruhe kommen, kommt im Hirn einiges in Bewegung.
Wir haben es in der Hand, mit welchem Gehirn wir in unserem Leben unterwegs sind.
Darüber hat Gerald Hüther ein ganzes Buch geschrieben.
Wir wissen inzwischen, dass die bisherige Annahme, das einmal durch Gene strukturierte Gehirn sei un-
veränderbar, falsch ist. Bis ins hohe Alter bleibt unser Gehirn form- und veränderbar ist. Wir müssen ihm nur Futter geben und beweglich bleiben. Neuen Herausforderungen nicht ausweichen, auch wenn wir unsere Begrenztheit sehen.
„Eins ist wichtig: Wenn du eine Begrenzung siehst (oder irgendeine Trennwand), entferne sie. Und wenn du sie beibehalten musst, so gestalte sie beweglich: und wo du – wie Füller sagt – die Wahl zwischen Fixierung und Flexibilität hast, entscheide dich für Flexibilität. Das ist eine sehr gute Regel.“ (Don Finegan, 1969)
Durch so genannte Fehler, die im Ausprobieren einfach passieren, stößt man auf Neues.
Das was sich da ereignet, absichtslos, im Spielen, wird oft vorschnell aussortiert, weil Anderes beabsichtigt ist. Bis man es plötzlich als ungewöhnlich und unausdenkbar erkennt. Also etwas vorfindet, was so noch nie gesehen wurde.
Was ist wirklich neu?
Das Neue muss erst erkannt werden und setzt also einen Beobachter voraus.
Innovation
John Cage gilt mit Recht als einer der berühmtesten zeitgenössischen Komponisten. Sein Einfluss auf die Entwicklung der Neuen Musik ist bis heute kaum abzuschätzen. In seinen Interviews schreibt in dem Kapitel über Ästhetik:
„Oh ja, ich habe mich dem Prinzip der Originalität verschrieben – nicht Originalität im egoistischen Sinne, sondern in dem Sinn, das zu tun, was notwendig ist.
Nun ist das Notwendige offensichtlich nicht das, was schon getan worden ist, sondern das, was noch nicht getan wurde. Dies gilt nicht nur für andere Leute, sondern auch im besonderen Maße für meine eigene Arbeit. Das heißt, wenn ich etwas Bestimmtes gemacht habe, betrachte ich es als meine Aufgabe, nicht noch einmal dasselbe zu machen, sondern herauszufinden, was als nächstes zu tun ist.“
So schreibt er anderer Stelle:
„Wenn ich eine Nummer wähle, erwarte ich davon etwas ganz Bestimmtes; in meiner Musik dagegen wünsche ich mir Raum für Überraschungen.
Ich möchte, dass wir nicht sesshaft sind, sondern Reisende, die neue Erfahrungen machen, von denen sie angezogen werden.
Mich hat immer die Größe X angezogen – das was außerhalb des offiziellen Unterrichts erfahren werden konnte, das Innovative.“
Raum für Überraschungen schaffen!
Bewegungsfreiheit
Mein Weg, dem Zufall eine Chance zu geben, immer wieder meiner Professionalität zu entgehen, ist mein Umgang mit der Farbe. Ich gebe ihr die Freiheit, sich zu bewegen. So dass ich als Autor eigentlich mehr und mehr in den Hintergrund trete.
Denn am Anfang macht es die Farbe. Sie macht, was sie will. Sie ist nicht gehorsam.
Ich erlebe mich bestenfalls als ihr Dompteur, indem ich ihr immer wieder die Freiheit gebe, ihren Fluss natürlich zu nehmen.
So kann das Malen eine forschende Bewegung sein.
Und ich bilde mich selbst aus in diesem Medium.
Ich könnte auch sagen, ich male das Malen.
Dabei schlüpfe ich am besten in die Rolle des Beobachters, der mit seinem Blick, ein klein wenig zeitversetzt,
mit seinen Augen den Handlungen hinterher folgt.
Was macht mein Arm? Die Verlängerung des Pinsels, der von meiner Hand im bestimmten Winkel gehalten wird und die Bewegung ausführt in einer speziellen nuancierten Weise, die sich von anderen differierenden Möglichkeiten fein unterscheidet.
Und mit dem Druck und mit dem Ziehen und dem Stoßen oder Gleiten und dem Führen dieses speziellen Werkzeugs bewegt sich die Farbe so oder so. Schafft Varianten.
Und in diesem So oder So bildet sie ihre Wesenhaftigkeit aus.
Beobachtung
(Selbst)Beobachtung
In dieser Nacht werde ich abrupt geweckt.
Es ist der Schweiß der Unruhe:
Ich schreib das jetzt auf.
Auf meinen Knien,
halb aufgerichtet auf mehreren Kissen im Rücken,
schreib ich das auf
in der Nacht.
Sie hat mich wach gemacht
Mit einer Portion Schweiß.
Auf meinen Knien notiere ich,
was sich rasch verflüchtigt
im Lampenlicht.
Das kommt von links,
von der Seite.
Es beleuchtet nur die Oberfläche.
Unter die Oberfläche dringen.
Unter das weiße Blatt,
darunter weitere leere Blätter
voll mit Weiß
achtlos als Stapel auf meinen Knien,
festgehalten.
Dazwischen die Bettdecke.
Zwischen Knie und Papier.
Sie ist ganz entschieden zu warm.
ES bleibt verborgen im Licht,
wenn ich die Augen schließe,
seh ich Atome.
Die wirbeln.
Ich sehe Nachbilder aus Licht.
Auch aus Atomen.
Diese eigenartigen Punkte, aus denen wir die Bilder weben.
Was ist der Stoff?
Ist das der Stoff?
Diese unruhigen Punkte,
die sich zu Flächen verbinden
hinter meinen geschlossenen Augen.
Denn ich schau ja aus mir heraus.
Wer schaut aus mir heraus?
Vielleicht schaut ES aus mir heraus?
Das ES aus Sehnerven,
die informiert werden von den aufmerksamen Zäpfchen und Stäbchen,
und die leiten alles mitten ins Hirn.
Und dort strömt’s und funkt’s und feuert’s,
die Synapsen und die Neuronen
und funken Bilder.
Von Innen denkend,
über den Kopf
nach Außen
bleibe ICH hinter diesen Lidern,
die ich heruntergeklappt habe.
In diesen schmalen Zwischenraum denken,
hinter den Lidern,
heruntergelassen wie Rollläden,
die mir die Sicht versperren nach draußen.
Ja, halbtransparente Folien aus Haut,
ein wenig Kunstlicht lassen sie rein,
milchig,
und als würden diese funkenden Partikel bewegt,
die das Bild formen,
das sich zwischen mir (ihm?) auf tut und den Augenlidern.
Ich öffne die Augen und schau mir zu.
Ich kann mir zuschauen, wie ich den Stift halte.
Und ihn ziehe von links nach rechts
in unordentlich geschwungenen Linien ziehe ich ihn,
dennoch sehr rhythmisch auf dem weißen Papier,
das zu mehreren unordentlich auf meinem Knie liegt,
ein kleiner Stapel,
eine Un-Ebene,
da setz ich an,
ich setze ab,
den Stift, flüssig in der Bewegung,
aus meiner rechten Hand fließen die Zeichen, die wir Buchstaben nennen,
und die einen Sinn ergeben sollen.
Meine Hand formt Kringel, Wellen, Abschwünge und Aufschwünge,
Wir nennen das Worte,
Ich benenne das mit Worten.
Ich schaue zu.
Ich reihe sie auf,
diese Wortkringel,
hintereinander,
so formen sie Sätze
die einen Sinn ergeben sollen.
Wir formen Worte aus gekrümmten Linien,
diese Krümmungen fließen ins Hirn
und wieder zurück in meine Hand,
die den Stift hält
der neue Bewegungen ausführt,
von meiner Hand geführt.
Meine Augen, die sich wieder öffnen?
Die schauen, der Hand hinterher,
die den Stift schwingt
von links nach rechts.
Ich befinde mich auf einer neuen Seite.
Auf einem neuen Blatt.
Oben.
Ich markiere dieses Blatt mit der Zahl 5.
Das Alles ist bewegte Linie,
bewegte Struktur.
Ein Netz, das sich darüber legt,
mehr oder weniger dicht gewebt
wie eine Gase,
mit Löchern darinnen
und unscharfem Rand.
Verdichtung.
Dichten.
Ich bin wieder da.
Ich tausche ES mit ICH.
Ich steh noch am Anfang.
Und ich werde mir bewusst, dass dieser Zustand zwischen Traum und Wachheit, jenseits der Kontrolle,
der Beobachtung lohnt. Er ist eine Form des Denkens.
Durch diese Leere kann etwas Neues durchscheinen.
Strukturen
Oberflächen
Bewegungsfluss
Formen
Hintergründe
Hintergründiges
Raum
– Raum für Neues.
Und das alles begleitet von starker Emotion.
Noch immer habe ich kein Rezept.
Doch habe ich bereits einen Fundus, um in innovatives Handeln zu kommen:
– Verlassen des Spezialistentums
– Ungewissheiten akzeptieren
– Ermöglichen von Fehlern
– Instrumentalisieren des Zufalls
– Muster entlarven
– Das Kippen von Ordnungen
– Nicht vorschnell werten, sondern
– Aufmerksam sein für scheinbar Nebensächliches
– Die Disziplinen wechseln,
– Das Medium wechseln
– Sinnlich spielen
– Das Erzeugen von Redundanz
– im Nichtwissen
– Das Zulassen von Leere
– Dran bleiben, Scheitern eingeschlossen
– Und immer wieder an den Anfang gehen
– Fragen und
– Handeln!
Das Hirnen kommt dann von selbst.
Vielleicht auch was Neues.
Denn so fangen wir an, unser Gehirn selbst zu programmieren.
Wohl alles keine Tipps zum Funktionieren.
Vernünftig ist das alles nicht.
Sie kennen ja den Ausspruch:
„Sei kein Narr!“
Bin ich ein Narr?
Ich möchte ihn umdrehen
Sei ein Narr!
Womit ich jetzt wenigstens einen Titel für meinen Vortrag habe!
Also, jetzt beginn ich!